Difference between revisions of "Demofoonte (Pietro Metastasio)"

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Es hatten aber diese Ehe-Leute ihre Ehe höchstssorgfältigst verborgen <nowiki>/</nowiki> aus Forcht eines alten Gesatzes dieses Königreichs <nowiki>/</nowiki> so jene Bräute Königlicher Erben <nowiki>/</nowiki> die Unterthanen <nowiki>/</nowiki> oder Vassalinen <nowiki>/</nowiki> zum Tod verdammet. Demophon, deme die geheime Ehe des Timante, und der Dirce unbewust ware <nowiki>/</nowiki> hatte ihme zur Ehe-Gemahl die Printzessin Creusa bestimmet <nowiki>/</nowiki> dem König aus Phrygien ihren Vatter das Wort gegeben <nowiki>/</nowiki> und zur Bestätigung dieses Versprechens <nowiki>/</nowiki> seinen jüngeren Sohn Cherintum die Braut abzuholen <nowiki>/</nowiki> und nach Thracien zu führen gesendet. Timantem indessen von dem Lager zuruck ruffend <nowiki>/</nowiki> der in allen unwissend <nowiki>/</nowiki> eilends in den Pallast gekommen. Bey Vernehmung aber deren Gefahren seiner und der Dirce suchte er sich zu entschuldigen <nowiki>/</nowiki> sie zu beschützen; aber eben diese Entschuldigungen <nowiki>/</nowiki> Fürbitten <nowiki>/</nowiki> und Betrübnussen machten den listigen König ihre Ehe offenbar. Timantes als sträflich <nowiki>/</nowiki> daß er den vätterlichen Befehl ungehorsam gewesen <nowiki>/</nowiki> die Vermählung mit Creusa versaget <nowiki>/</nowiki> und gewaltthätig denen Königlichen Gebotten widerstrebet. Dirce als schuldmässig <nowiki>/</nowiki> daß sie denen Gesätzen des Königreichs zuwider hanlend <nowiki>/</nowiki> sich mit Timante verehliget <nowiki>/</nowiki> werden zum Tod verdammet. Und da eben dieses unmenschliche Urtheil solte vollzogen werden. Empfande der ergrimmte Demophon ein väterliches Erbarmen <nowiki>/</nowiki> so mit vielen Fürbitten vergesellet <nowiki>/</nowiki> die Verzeihung aus seinem Mund gepresset. Timantes erhielte die Nachricht dieser beglükten Veränderung <nowiki>/</nowiki> aber in Mitten seiner unverhoften Freude wird ihme mit sicheren Beweistum geoffenbaret <nowiki>/</nowiki> daß Dirce eine Rochter des Demophons, und der unglükselige Timantes, der sich kaum ein wenig in seinen Trübsalen erholete; wird vom neuen noch verwirrter in einen Abgrund des Unglüks und Erntsetzung gestürtzet <nowiki>/</nowiki> da er seine Ehe-Gemahl seine eigene Schwester zu seyn geglaubet. Unumgänglich schiene seine Verzweifelung; als aber unverhofter Weise er seines wahren Herkommens gründlich benachrichtiget worden <nowiki>/</nowiki> und ersehen <nowiki>/</nowiki> daß er kein Erb der Tron <nowiki>/</nowiki> auch kein Sohn des Demophons, wol aber ein Sohn des Mathusio seye <nowiki>/</nowiki> ändert sich alles Aussehen. Timantes seines Zweifels befreyet <nowiki>/</nowiki> erhaltet seine Ehe-Gemahl; Demophon findet an Cherinto seinen wahren Erben <nowiki>/</nowiki> kommet seinem Versprechen nach <nowiki>/</nowiki> ihme die Printzessin Creusa bestimmend <nowiki>/</nowiki> und jeder schuld-lose <nowiki>/</nowiki> unrechte Besitz-hoffer des Königreichs <nowiki>/</nowiki> von dem das Oracul geredet <nowiki>/</nowiki> wird an Timante entdecket. Das Königreich der jährlichen Schuldigkeit seines grausamen Opfers befreyet.  
Es hatten aber diese Ehe-Leute ihre Ehe höchstssorgfältigst verborgen <nowiki>/</nowiki> aus Forcht eines alten Gesatzes dieses Königreichs <nowiki>/</nowiki> so jene Bräute Königlicher Erben <nowiki>/</nowiki> die Unterthanen <nowiki>/</nowiki> oder Vassalinen <nowiki>/</nowiki> zum Tod verdammet. Demophon, deme die geheime Ehe des Timante, und der Dirce unbewust ware <nowiki>/</nowiki> hatte ihme zur Ehe-Gemahl die Printzessin Creusa bestimmet <nowiki>/</nowiki> dem König aus Phrygien ihren Vatter das Wort gegeben <nowiki>/</nowiki> und zur Bestätigung dieses Versprechens <nowiki>/</nowiki> seinen jüngeren Sohn Cherintum die Braut abzuholen <nowiki>/</nowiki> und nach Thracien zu führen gesendet. Timantem indessen von dem Lager zuruck ruffend <nowiki>/</nowiki> der in allen unwissend <nowiki>/</nowiki> eilends in den Pallast gekommen. Bey Vernehmung aber deren Gefahren seiner und der Dirce suchte er sich zu entschuldigen <nowiki>/</nowiki> sie zu beschützen; aber eben diese Entschuldigungen <nowiki>/</nowiki> Fürbitten <nowiki>/</nowiki> und Betrübnussen machten den listigen König ihre Ehe offenbar. Timantes als sträflich <nowiki>/</nowiki> daß er den vätterlichen Befehl ungehorsam gewesen <nowiki>/</nowiki> die Vermählung mit Creusa versaget <nowiki>/</nowiki> und gewaltthätig denen Königlichen Gebotten widerstrebet. Dirce als schuldmässig <nowiki>/</nowiki> daß sie denen Gesätzen des Königreichs zuwider hanlend <nowiki>/</nowiki> sich mit Timante verehliget <nowiki>/</nowiki> werden zum Tod verdammet. Und da eben dieses unmenschliche Urtheil solte vollzogen werden. Empfande der ergrimmte Demophon ein väterliches Erbarmen <nowiki>/</nowiki> so mit vielen Fürbitten vergesellet <nowiki>/</nowiki> die Verzeihung aus seinem Mund gepresset. Timantes erhielte die Nachricht dieser beglükten Veränderung <nowiki>/</nowiki> aber in Mitten seiner unverhoften Freude wird ihme mit sicheren Beweistum geoffenbaret <nowiki>/</nowiki> daß Dirce eine Rochter des Demophons, und der unglükselige Timantes, der sich kaum ein wenig in seinen Trübsalen erholete; wird vom neuen noch verwirrter in einen Abgrund des Unglüks und Erntsetzung gestürtzet <nowiki>/</nowiki> da er seine Ehe-Gemahl seine eigene Schwester zu seyn geglaubet. Unumgänglich schiene seine Verzweifelung; als aber unverhofter Weise er seines wahren Herkommens gründlich benachrichtiget worden <nowiki>/</nowiki> und ersehen <nowiki>/</nowiki> daß er kein Erb der Tron <nowiki>/</nowiki> auch kein Sohn des Demophons, wol aber ein Sohn des Mathusio seye <nowiki>/</nowiki> ändert sich alles Aussehen. Timantes seines Zweifels befreyet <nowiki>/</nowiki> erhaltet seine Ehe-Gemahl; Demophon findet an Cherinto seinen wahren Erben <nowiki>/</nowiki> kommet seinem Versprechen nach <nowiki>/</nowiki> ihme die Printzessin Creusa bestimmend <nowiki>/</nowiki> und jeder schuld-lose <nowiki>/</nowiki> unrechte Besitz-hoffer des Königreichs <nowiki>/</nowiki> von dem das Oracul geredet <nowiki>/</nowiki> wird an Timante entdecket. Das Königreich der jährlichen Schuldigkeit seines grausamen Opfers befreyet.  


Hygin. ex Philarch. lib. 2.


=== Modern German ===
Der Schau-Platz wird vorgestellet in dem Königlichen Pallast des Demophons im Chersoneso der Thracischen Halb-Insul.


(Source: Italian Libretto 1733, Vienna)<ref name="LibrettoItalian"/><ref name="FR"/>
:<div class="footnotes"><nowiki>*)</nowiki>This word and many others deviate from modern standard German use and spelling. For a modern translation of the original Italian, see below.</div>


Als Demophon in Chersones in Thrakien regierte, befragte er das Orakel des Apollon, um herauszufinden, wann der grausame Ritus, den das Orakel selbst vorschrieb, nämlich jedes Jahr eine Jungfrau vor seinem Simulakrum zu opfern, enden sollte:
=== Modern German ===
:<poem>Mit dir soll der Zorn des Himmels besänftigt werden
Wenn der unschuldige Usurpator eines Königreichs sich selbst bekannt sein wird. </poem>


Der König verstand den dunklen Sinn nicht und wartete darauf, dass die Zeit ihn klarer machte. In der Zwischenzeit wollte er das jährliche Opfer durchführen und ließ den Namen der unglücklichen Jungfrau, die das Opfer sein sollte, aus der Urne auslosen. Matusius, einer der Großen des Reiches, verlangte, dass Dircea, deren Vater er zu sein glaubte, nicht dasselbe Schicksal erleiden solle wie die anderen, und begründete dies mit dem Beispiel des Königs selbst, der seine Töchter von Thrakien fernhielt, um sie nicht zu gefährden. Erzürnt über die Unverfrorenheit des Matusio, ordnet Demofoonte barbarisch an, die unschuldige Dircea zu opfern, ohne das Votum des Schicksals abzuwarten.
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Letztere war bereits die Frau von Timantes, von dem man annahm, dass er der Sohn und Erbe von Demofoon sei, aber die Eheleute verheimlichten ihre gefährliche Ehe sorgfältig aus Angst vor einem alten Gesetz des Königreichs, das jede Untertanin, die die Frau des Königsnachfolgers wurde, zum Tode verurteilte. Demophoon, der nichts von der heimlichen Heirat des Timantes mit Dircea wusste, hatte sich die Prinzessin Creusa zur Frau genommen und dem König von Phrygien, ihrem Vater, feierlich seine Treue geschworen. In Erfüllung seines Versprechens schickte er den jungen Cherinthus, einen anderen seiner Söhne, aus, um seine Braut nach Thrakien zu holen und zu bringen, und rief in der Zwischenzeit Timantes aus dem Lager herbei, der sofort zum Palast eilte und von nichts wusste. Als er dort ankam und die gefährliche Lage für sich und seine Frau Dircea erkannte, wollte er sich entschuldigen und sie verteidigen; aber die Entschuldigungen, die Gebete, die Inbrunst und die Gewalt, denen er ausgesetzt war, enthüllten dem weisen König ihr verborgenes Geheimnis. Timantes wurde zum Tode verurteilt, weil er sich dem Befehl seines Vaters widersetzt hatte, indem er sich weigerte, Creusa zu heiraten, und weil er sich den königlichen Anordnungen mit Waffengewalt widersetzte, und Dircea wurde zum Tode verurteilt, weil sie durch die Heirat mit Timantus gegen das Gesetz des Königreichs verstoßen hatte. Als das unmenschliche Urteil vollstreckt werden sollte, spürte der grimmige Demophoon die Regungen väterlicher Frömmigkeit, die, unterstützt von den Gebeten vieler, ihm seine Vergebung entlockten. Timantes wurde vor dieser glücklichen Wendung benachrichtigt; aber inmitten des Trubels seiner plötzlichen Freude wurde er von jemandem überrascht, der ihm mit unzweifelhaften Beweisen enthüllte, dass Dircea die Tochter des Demophoon war. Und siehe da, der unglückliche Mann, von der Last vergangener Widrigkeiten befreit, stürzt mehr denn je in einen Abgrund der Verwirrung und des Entsetzens, da er sich für den Ehemann seiner eigenen Schwester hält. Seine Verzweiflung scheint nun unausweichlich, als er durch unerwartete Mittel besser über seinen wahren Zustand informiert wird und feststellt, dass er weder der Nachfolger der Krone noch der Sohn von Demophoon, sondern von Matusio ist. Alles wandelt sich zum Guten. Timantes wird von dem Schrecken, den er sich ausgedacht hatte, befreit und umarmt seine Frau; Demophoon findet in Cherinth  seinen wahren Erben und erfüllt sein Versprechen, indem er ihn mit der Prinzessin Kreusa verheiratet; und nachdem er in Timantes jenen unschuldigen Usurpator entdeckt hat, von dem das Orakel dunkel gesprochen hatte, wird auch das Königreich von der grausamen Verpflichtung des jährlichen grausamen Opfers befreit (Hyginus, ex Philarcho, liber II).
 
Der Schauplatz der Szene ist der Palast von Demophoon in Chersoneso in Thrakien.
 
:<div class="footnotes"><nowiki>*)</nowiki> The original Italian closes with "Herod. Paus. Nat. Com. &c." which refers to Metastasio's inspiration for the opera, Herodotus' Histories, Vo. 6 <ref name="WikiOlimpiadeMetastasio"/></div>


==Roles==
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